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PAPIERISMUS, Retrospektive

Alljährlich ehrt die Stadt Heidelberg eine Künstlerpersönlichkeit aus der Region mit einer Retrospektivausstellung, die von einem Katalog begleitet wird. PAPIERISMUS ist der Titel der diesjährigen Retrospektive und es ist Bara Lehmann-Schulz, die uns einen intensiven Einblick in ihr künstlerisches Werk gibt. Bara Lehmann-Schulz wurde 1946 in Flensburg geboren. Früh entschied sie Künstlerin zu werden und studierte Design, Bildhauerei und Malerei in Düsseldorf, Besançon (Frankreich) und Göteborg (Schweden).

Es folgte eine Zeit der Experimente im malerischen und bildhauerischen Bereich. 1974 begann die Auseinandersetzung mit der Sensibilität der Sinne und der Sensibilität der Dinge und etliche Konzepte entstanden. Es gab Aktionen in Natur und Landschaft, die mit Fotos und Zeichnungen dokumentiert wurden. Ende der 1970er Jahre gewinnt das Papier für BLS an Bedeutung. Die verschiedenen Papiere, die sie benutzte, um eine Vielfalt von Objekten herzustellen, hatten vorher alle bereits eine andere Funktion. Ist solch ein Papier im Alltag benutzt worden, zum Beispiel zum Verpacken oder als Unterlage, so ist es geprägt worden und zeigt verschiedene Spuren wie Knicke, Falten, Risse usw.. Bara Lehmann-Schulz beginnt solche Papiere für ihre Arbeit zu benutzen. Waren die Objekte in den siebziger Jahren noch in Plexiglaskästen untergebracht, so beschloss sie in den 1980ger Jahren die Kästen wegzulassen und die neu geschaffenen, größeren Objekte mit Titeln wie "Flügel", "Segel", "Überbrückung", "Floß" und "Zelt" einfach an die Wand zu lehnen. Andere Objekte wurden freistehend oder frei im Raum hängend installiert, wobei sich manche auch durch leichte Transparenz auszeichneten.

Seit 1988 sind aus Papier große "Tore" entstanden - Symbole von Stationen am Wege, ein Hinweis auf Vergangenheit und Zukunft. Die individuellen Tore haben zwei unterschiedlich gestaltete Seiten und schweben über dem Boden und man kann sie durchschreiten. Es entstanden die Serien "Wimpel" und "Türme", Symbole der Ganzheit aus Papierschichten oder Zellulose, die, wie auch handgeschöpftes Papier, immer öfter zum Einsatz kamen. Kurz danach waren die "Stäbe" ein Thema für mehrere Serien. Diese Objekte wurden unterschiedlich angeordnet: liegend, stehend, steckend, hängend - dem Umraum entsprechend. Die Ausstellung PAPIERISMUS ist in zwei benachbarten Räumen zu sehen. Insgesamt 60 Arbeiten wurden jeweils angepasst an die architektonischen Gegebenheiten installiert. Der erste Raum zeigt eine Fülle von symbolträchtigen Arbeiten. Im zweiten, strengeren Raum geht es dann darum, in neuen, sich nie wiederholenden Varianten der freien Kreativität einen Rahmen zu setzen. Interessanterweise heißen die beiden Arbeiten an der Schnittstelle "Netz-Werk" (1996) und "Transformation" (1997). Papier ist das wichtigste Material der Arbeiten; das Quadrat dient als Grundform für individuellen Gestaltungen. Dabei benutzt sie Dinge und Materialien, die vorher eine ganz andere Funktion hatten. Das führt oft zu ganzen Serien von Objekten und Installationen, charakterisiert durch eine große Vielfalt an formalem Ausdruck und einem inneren Gespür für Poesie und Fragilität.

Seit mehr als zwanzig Jahren setzt sich Bara Lehmann-Schulz zunehmend puristisch mit den beiden absoluten Größen der Geometrie auseinander - also auch mit der Mathematik, der Logik und der Philosophie. Wenn es eine Konstante gibt, dann ist es diese: keine dieser Papierarbeiten ähnelt der anderen, mag die Ausgangsposition auch die gleiche sein. Diese Retrospektive macht deutlich, dass es tausende Ideen geben kann, aus einem banalen, tagtäglich benutzten Gegenstand ein Kunstwerk zu machen - d.h. aus einer immateriellen Idee ein materielles Werk herzustellen, das wiederum zu einem zunächst immateriellen Prozess führt, will die Künstlerin doch immer neue Varianten erfinden. Sämtlichen ihrer Werke wohnt ein hoher ästhetischer Wert inne. Anders gesagt, die immateriellste aller Eigenschaften ist ihnen eigen - nämlich die Schönheit. Eine große und wertvolle Rarität in der gegenwärtigen Kunst.

(Auszüge aus dem Katalog und der Eröffnungsrede von Dr. Milan Chlumsky, 2018)
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